Ein Spiel mit den Resten der Überproduktion
in den zukünftigen Ruinen des Fordismus

Christoph Schäfer
BRD 2000 / 16mm / 19 min




Drehbuchauszüge:

1. Kino (Metropolis)oben/3'00 / IN/T



Der Abspann und die Schlussmusik läuft. Rote und Blaue Texttafeln wechseln mit Bildern aus der zerrütteten Innenstadt ab.

REVOLUTION NON STOP

DAS KOMMENDE ERWACHEN
STEHT WIE DAS HOLZPFERD
DER GRIECHEN IM
TROJA DES TRAUMS

Rausgehender elender Student. Hast Du das verstanden?
Rausgehende elende Studentin: Ich glaube nicht das der das wirklich meint- das kann doch nur eine Parodie auf Agitprop sein.
Rausgehender elender Student: ... vor allem kann man doch in einer spektakulären Gesellschaft, in der sich alles in Bilder verwandelt hat mit einem Film nicht durchkommen...
Rausgehende elende Studentin: ... zumal mit einem den sich sowieso niemand anschaut...
Sa: Könnt Ihr mal die Klappe halten?!

DAS KINO IST DAS TRAUMHAUS DES KOLLEKTIVS

So: Wusstest du, dass das Metropolis früher ein NonstopKino gewesen ist? Martin Aust hat mir erzählt, dass die Wände noch aus der Zeit bespannt sind mit Kunststoffsbezügen von VW...
Sa: Echt? Ist mir noch nie aufgefallen...
So: Ich hab mich immer über dieses seltsame blaugrau gewundert.
Sa (zum Teil OFF über Gummibild): Wenn der VW-Käfer den Wunsch der Kleinfamilie nach einem mobilen Interieur ausdrückt, den regressiven Traum, selbst unterwegs nie das Zuhause zu verlassen, dann drückt dieses mit Volkswagenbezügen ausgekleidete Kino den Wunsch aus, als Kollektiv in Bewegung zu geraten.
So: Vielleicht wollten sie's auch einfach nur abwaschbar haben...
Sa: Oder mit dem Industrieprodukt verschmelzen. (gehen raus)

WAS HIER IM FOLGENDEN GEGEBEN WIRD
IST EIN VERSUCH IN DER TECHNIK DES ERWACHENS

REVOLUTION NON STOP


2. Rosie's Café (Metropolis) / 3'00 / IN/T       (Top)



SO und SA gehen hinein in ihr Bohèmelokal, ein öffentliches Wohnzimmer. An Anja vorbei. Anja an der Schwelle zwischen Traumhaus des Kollektivs (Kinosaal) und (Halb-)Welt (Café). Songül schaut mit in die Zeitung hinein.

Anja (zum Teil OFF, zum Teil in die Kamera) (liesst aus der Negativen Welt):
Das Gewesene soll zum dialektischen Umschlag, zum Einfall des erwachten Bewusstseins werden.

Die grosse Nacht, in der wir versunken waren, müssen wir abschütteln und hinter uns lassen...

Flaschen an der Bar durchsetzt mit Slogans:
COMMODITY REGIME PRODUCES INSECURITY ALSO AMONG MEMBERS OF THE BOURGEOISIE
REICHTUM DES MÖGLICHEN - ARMUT DER GEGENWART
EIGENTUM IST DIEBSTAHL
BEFREIT DIE LEIDENSCHAFT ARBEITET NIE
Nebenan arbeitet ein Telearbeiter am Laptop (die durchlöcherte Grenze zwischen Arbeit & zu Hause), Arbeit die wie Freizeit aussieht. .

Zigarettenschachteln mit den Begriffen: Profit, Überstunde, Disziplin, Deadline... Blicke auf Tische an denen das alte und das neue Herrschaftsmodell anhand von Zigarettenstapel/Fläche erklärt wird.


4. Im Auto / 2'00 / IN/A/T Rückpro       (Top)



Fahrt durch zerrüttete Innenstadt. Plakate und Transparente in Rückpro: 80 % alles muss raus Totalausverkauf, WIR SIND K.O.! wir geben auf! NUR NOCH KURZE ZEIT,tendenzieller fall der profitrate - wir können nicht mehr Fürs Einkaufen interessiert sich niemand mehr. Eleganter Diskurs weiter im Wagen,

Chara.: Die Tatsache, dass der Warencharakter alles und Jeden Gegenstand erfasst, erzeugt Unsicherheit, auch bei einzelnen Mitgliedern der herrschenden Klasse. Unternehmer reagieren auf diese Verunsicherung mit Produkten, die sich auf die Ära vor der Herrschaft des Kapitals beziehen, Produkte die den Geruch des Landadels, des vererbten Grundbesitzes tragen, den Geruch der Anciennität im Sinne Bourdieus. Ich unterlaufe diesen bourgeouisen Warenfetischismus, indem ich den Jaguar mit Gesten der Entwertung und des Vandalismus überziehe, wie es Dadaisten und kriminelle Jugendliche tun.
Sa: Es ist doch offensichtlich, dass diese Techniken vom vollintegrierten Kapitalismus vereinnahmt wurden, weil dieses zweckentfremdete Auto in einer Ware in einem Film im Kunstzusammenhang Verwendung findet...
So: Ja, ja , ich weis was Du meinst, du meinst diese Image durch Kunst-Kacke aber es ist doch gar nicht ausgemacht, ob diese Arbeit nur im Sinne dieser Interessen funktioniert - oder auch in einem revolutionären Kämpfchen...


6. Galerie-Eingang /1'10 / IN/T       (Top)

Songül und Sabeth flanieren vorbei an pleitegegangenem Geschäft, kommen dazu als Affenkönig dem diakonischen Schuhputzer die Kiste wegtritt, mit einer Schuhcremedose Eishockeypuck spielt und mit Princessin wegrennt.
Sa: Sie brauchen gar nicht so Mitleidserregend zu gucken, der hat Ihnen die Kiste ganz zu Recht weggetreten!
Schuhputzer: (guckt baff)
So: Statt in Ruhe Sozialhilfe zu bekommen und das Leben zu geniessen, arbeiten Sie hier für einen Hungerlohn...
Sa:.. und setzen die Schwelle der Zumutbarkeit von Drecksarbeit für alle herab, und verschlechtern die Gewinnchancen regulärer Strassenbettler...
So: ...obendrein geben Sie Ihren blöden Kunden noch das Gefühl, es sei christliche Nächstenliebe, sich die Schuhe putzen zu lassen!
Harrods: Heyhey, er darf hier sitzen, er ist Teil einer Partnerschaft zwischen Wirtschaft und einem sozial- und arbeitsmarktpolitischen Projekt.
So: Was mischen Sie sich ein?!
Harod (In die Kamera): Wenn die Spielregeln der grosstädtischen Gesellschaft auf dem Miteinander rivalisierender Gruppen basieren, dann müssen wir Sicherheitskräfte in die konflikthaften Prozesse eingreifen und mit unseren Interventionen zu einem demokratischen Gemeinwesen beitragen.
So zu Sa: ... der spricht wie ein Sozialarbeiter ... (lassen ihn stehen)
Schuhputzer die ganze Zeit stumm, Harrods belehrend, ein bisschen so, wie es deutsche Touristen gerne im Ausland machen, über ihn weg. Promogirl rollert vorbei.


8. Forum /1'30 / IN/T       (Top)

Sa und So weiter zur Wassersäule, Blick von oben ins Forum hinein. Ein Blick in die jüngste Vergangenheit, die Versprechen des Spätfordismus sozialdemokratischer Prägung. Rückpro (Video) oder Dia im Kartencenter (Reisebüro) Palmen, Ferien, Bacardi Exotismus. Ein hübsches Paar hat es sich auf grossen FlokatiteppichKissen davor zum Picknick bequem gemacht. Früchte. Langeweile. Lust. Sie tragen Ibiza-Klamotten, Siebzigerjahre Weiss-Ästhetik, Baumwolle. Das sind Leute, deren Subjektivität / Traum vom Glück von obengenannten Werbungen geprägt ist - oder die mit einer ironischen Haltung diese Phantasie nachspielen, oder die vom Reisebüro bezahlt werden, da zu sitzen.Andere haben nebenan Hydrokulturpflanze umgekippt und spielen mit den Seramis rum. Das geknicker wird zu Rythmus.
Jetzt beschleunigt sich alles.
Promogirl verteilt orangen mit slogans.
HOLIDAYS IN OTHER PEOPLE'S MISERY
URLAUB IM ELEND ANDERER LEUTE
EXOTISM IS JUST ANOTHER WORD FOR RACISM
Der Affenkönig schiebt polternd einen Schuhputzautomaten durch die Idylle herbei (die Prinzessin sitzt drauf), nimmt den Schönheiten mit dem Stock einen Pfirsich weg, geht zum Fuss der Treppe.

Nah: Schildkröte mit Hydrokugeln. Desolat. Hydrokugeln und ZigarettenKippen und Rollerbladeschritte in Flokati. Orangen mit Slogan in Grünpflanzen oder Flokati.
Von Dany's Spaceinvaderjacket auf Hydroballs/Mosaikfussboden


11. Karstadt Park-Dach /1'10 / A/T       (Top)



Harrods kommt mit dem Aufzug aufs Dach. Ballett-Kampf auf dem Dach. Duell zwischen Systhemtheorie (Harrods) und Revolutionären (Affenkönig-Trashprinzessin). Der Affenkönig erteilt eine Lektion im Stockkampf, die Trashprinzessin in virtuoser Dialektik. Manchmal guckt sie zu, dann schnellt sie vor und tritt mit ihren dicken weichen Turnschuhen gegen das Schienbein.

Princess: Als erstes wird der revolutionäre Antagonismus dir ein Bein stellen!
Harrod: Ach scher dich fort! (H kriegt ein Bein gestellt und fällt hin)
Princess: Au, das hat wehgetan!
H: Das war reiner Zufall! Glaubt nicht dass euch Randexistenzen noch so ein Schlag gelingt!
Princess: Wie unhöflich!
(Getümmel)
Princess: Nun werden wir die bornierte Enge deines systhemtheoretischen Horizonts durch das entfernen deiner Mütze erweitern!
(Mütze wird weg gehauen)
Princess: Hoppla! (schnappt Mütze und probiert sie auf)
H: Grrr!
Princess: Armes Exekutivorgan! Nur weil Kräfte auf den Plan treten, deren kreative soziale Aktion dein Weltbild sprengen, brauchst du nicht den letzten Anflug von Stil zu verlieren.
H: Wo hast Du diese arroganten Worte gelernt, Göre!?
Princess: (Tritt ihn) Kunst beginnt da, wo Ausdruck zu Stil wird! Mallarmé
(Verbeugt sich und springt vom Dach)




12. Durchgang/Hof/Metropolis/1'10 / A/IN/T       (Top)

vor dem METROPOLIS fährt der jaguar vorbei.
SA und SO im Gespräch vertieft.

REVOLUTION NON STOP 12:00 - 17:00
KINO UND ERLEBNIS-CAFÉ

Sa und So im Gang. Intimer werdendes Gespräch.

Melissa auf den Stufen im Hof, Melissa auf der Treppe im Foyer, Melissa an der Tür zum Kino.

Melissa: Social revolution is today's repressed past. Only products appealing emotionally to Your imagination can be sold. This is the other side of globalisation, the new front: subjectivity. The commodity regime is being erected in the most hidden corners of Your mind. What once defined art, the production of meaning, is now becoming the base of economy.

SA und SO verschwinden im Kino.


13. Kino / Metrop. / unt. Ebene / 0'30 / IN/T



Ladies and Gentlemen! Economy is a belief-system. As societies wealth has never been bigger, while distribution of wealth is getting worse, the neccessity for social revolution has come. Today's repressed past is tomorrows reality.

Thank You, and good night.

Leute kommen uns in der Türe entgegen, einige sitzen noch.
Der Vor-Ab-Spann läuft, die Schlussmusik setzt ein, alles beginnt wieder von vorne.